Interview mit Regisseur HÜSEYIN TABAK

Dazu kam es dann nicht, vor allem auch deshalb, weil er so ausgezeichnete Schulnoten hatte.
Ich hatte die Geschichte bereits geschrieben ohne zu wissen, dass unserem Hauptdarsteller das Gleiche widerfahren war. Zu Abdulkadir kann ich auch noch eine Anekdote vom Casting erzählen: Vedran Kos, der das Casting leitete, hatte einmal kurz das Handy ausgeschaltet. Als er es wieder einschaltete, waren 45 Anrufe in Abwesenheit drauf, alle von Abdulkadir. Er hatte sein eMail-
Passwort vergessen, ohne das er keinen Zugriff auf den Text hatte, den er fürs Casting lernen
musste. Er war ganz verzweifelt, weil er um seine große Chance fürchtete. Ich fragte mich
immer wieder, was in einem Menschen vorgehen muss, der innerhalb einer Stunde 45 Mal
anruft. Als ich ihn fragte, warum er unbedingt mitspielen wollte, sagte er, „Ich weiß es nicht,
mein Inneres will einfach.“ Er hatte so ein Gefühl für diesen Jungen.

Der Nachbar ist auch Übersetzer, Vermittler, Freund und er erhält dadurch eine entscheidende Rolle im Film, weil er derjenige ist, der zwischen den
Generationen, zwischen den Kulturen und Sprachen die Drehscheibe ist und
genau jene Funktion erfüllt, an der es in den verschiedensten Konflikten fehlt.


Hüseyin Tabak: Orhan Yildrim, der Darsteller des Nachbarn, hat schon in meinem
Dokumentarfilm Kick Off mitgewirkt. Ich habe sehr viel mit ihm über diese Geschichte
gesprochen und ihn ausgefragt. Er wusste nicht, dass ich ihm die Rolle zuschrieb. Er ist
wie ich zwischen zwei Kulturen aufgewachsen: draußen auf der Straße waren die Freunde
und die europäische Kultur und drinnen, zu Hause, prägte uns die Kultur der Heimat.
Seine Figur hat sich als Bindeglied in die neue Heimat gut angeboten. Seine Geschichte
habe ich dann noch verfeinert, weil er in jener Zeit Beziehungsprobleme hatte und es
mich so verwundert hat, dass ein so starker, großer Mann bei so einem Problem total
eingehen und zerbrechlich werden kann. Das Gespräch am Balkon war ein Gespräch,
das ich mal mit ihm hatte. Wort für Wort. Er ist kein Schauspieler, er muss das
wirklich spüren, damit es wirklich rüberkommt. Wir sind einander im Denken sehr
nahe und haben in vielerlei Hinsicht vieles gemeinsam.

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