Claudia Michelsen (Christine)

Geboren 1969 in Dresden (Deutschland), studierte Claudia Michelsen an der Berliner Ernst Busch-Hochschule für Schauspielkunst. Noch während ihrer Studienzeit debütierte sie in Rainer Simons Kinofilm "Die Besteigung des Chimborazo" und ging nach Abschluss der Ausbildung an die Berliner Volksbühne, wo sie mit Regisseuren wie Frank Castorf, Heiner Müller, Johann Kresnik, Henry Hübchen und Luc Bondy arbeitete.

Der Liebe wegen ging Michelsen mit Mitte Zwanzig für sieben Jahre nach Los Angeles, verlor aber nie den Kontakt zur deutschen Heimat, wohin sie immer wieder für Film- und Fernsehproduktionen geholt wurde. 1991 spielte sie im Jean-Luc Godard-Film "Deutschland Neu(n) Null" und 1995 wurde sie für ihre Rolle im Fernsehspiel "Das schafft die nie" (R: Lih Jannowitz) mit dem Max Ophüls-Preis als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet. 2001 kehrte Claudia Michelsen nach Europa zurück und lebt seither wieder in Berlin.

Inzwischen ist sie ein bekanntes Gesicht aus Film und Fernsehen. TV-Zuschauern wird sie zuletzt aus ihrer Rolle der außenpolitischen Beraterin des Kanzlers im TV-Mehrteiler "Das Kanzleramt" (2005, R: Hans-Christoph Blumenberg und Peter Keglevic) in Erinnerung sein. Filmrollen hatte Claudia Michelsen u.a. in "Pause für Wanzka" (1989, R: Vera Loebner), "Wer hat Angst vor Rot-Gelb-Blau" (1990, Heiko Schier), "Deutschland Neu(n) Null" (1991, R: Jean-Luc Godard), "Brennendes Herz" (1994, R: Peter Patzak), "Clara" (1998, R: Helga Oswald), "Drei Chinesen mit dem Kontrabass" (1999, R: Klaus Krämer), "Napola" (2003, R: Dennis Gansel), "Maria an Callas" (2005, R: Petra Katharina Wagner), sowie "Die wilden Kerle III" (2005, R: Joachim Masanneck), "Paulas Geheimnis" (2005, R: Gernot Krää) und 2006 in Sabine Derflingers "42plus".

Claudia Michelsen

"Das ist keine Krise. Das ist die Chance für einen Neuanfang."

Claudia Michelsen erklärt Peter Krobath, warum es gut ist, wenn man manchmal im Leben vor allem auf sich selbst schaut

PETER KROBATH: 42plus spielt zum überwiegenden Teil auf der italienischen Insel Ischia.

CLAUDIA MICHELSEN: Wie schon so oft habe ich mich wieder einmal in Italien verliebt. Es ist absoluter Luxus, wenn man an so einem traumhaften Ort nicht nur das Meer genießen, sondern auch eine interessante Geschichte mit sich herumtragen kann.

Hat sich diese Leichtigkeit des Südens auf die Arbeit übertragen?

Wenn Italiener das Catering machen, kommt allein schon durch das Essen eine ganz andere Form von Sinnlichkeit auf. Dazu das Meer, der Wind ... das überträgt sich schon. Aber es war trotzdem ein konzentrierter Dreh. Wir haben uns intensiv vorbereitet, es gab viele Leseproben. Da wurde jedes Wort auseinander genommen, was später beim Drehen natürlich unglaublich hilft.

Hätte sich Ihre Figur, Christine, ihre Sehnsucht nach diesem jungen Mann auch an ihrem Lebensort erfüllt, oder brauchte sie dazu den Urlaub, die Idylle?

Die Exotik vielleicht. Das hängt mit mir privat zusammen, aber ich brauche in bestimmten Zeitabständen das Meer, um wieder zu mir zu finden. Ich habe immer das Gefühl, wenn ich am Meer bin, dann öffnet sich alles. Da ist so eine Kraft, eine Naturgewalt, die einen die Dinge anders sehen lässt. Christine ist in ihrem Leben an einem Punkt angekommen, wo man einfach alles in Frage stellt. Sie geht jetzt einen anderen Weg, um sich zu spüren und will Sachen auf die Spitze treiben, nur um zu sehen, was dann kommt. Vielleicht passiert so etwas wirklich eher im Sommer, am Meer, im Süden.

Wie kommt man an so einen Punkt, wo man sich urplötzlich zur Flucht aus dem Alltag entscheidet?

Es gibt viele Leute, die immer nur an die Karriere, an die Verantwortung, an die Familie denken. Die Gefahr dabei ist, dass man sich in diesem ganzen Tun und Wollen selbst aus den Augen verliert. Da gibt es dann so eine Phase, bei Frauen um die 40, bei Männern um die 50, wo man einfach alles in Frage stellt. Hat man jetzt die Hälfte erreicht im Leben? Was kommt noch? Was will man, dass noch kommt? Wie weit geht man dafür? Was spürt man? Spürt man sich überhaupt noch? Ich finde solche Fragen gut. Deshalb halte ich auch "Midlife Crisis" für ein oberflächliches Wort. Das ist keine Krise. Das ist die Chance für einen Neuanfang.

Christine beginnt ein Verhältnis mit einem wesentlich jüngeren Mann. Umgekehrt wäre das durchaus akzeptiert. So aber wird kräftig am gesellschaftlichen Tabu gekratzt.

Ich denke, das ändert sich gerade. Bisher war es eher so: Wenn eine Frau auch Mutter ist, also die Mutterrolle übernommen hat, gibt es immer noch eine andere Verpflichtung und einen anderen Anstand. So etwas „gehört sich“ für eine Frau einfach nicht, während man es bei einem Mann vielleicht gar nicht anders erwarten würde. Aber die Frauen brechen da auch schon ziemlich aus inzwischen.

Trotzdem wird es anders gesehen. Ein Mann mit einer jungen Frau gilt als toller Hecht, während man umgekehrt sofort zumindest private Probleme unterstellt.

Es gibt eine Studie, die folgendes besagt: Wenn sich ein Paar trennt, weil der Mann ein Verhältnis mit einer Jüngeren hat, haben Frauen bis zu fünf Jahre damit zu tun, ihr schlechtes Gewissen abzuarbeiten. ”Was habe ich alles falsch gemacht? Was habe ich ihm nicht geboten? Warum ist er gegangen? Was hätte er gebraucht?” Das ist furchtbar. Es kann ja wohl nicht sein, dass die Frauen immer alle Schuld auf sich nehmen. Ich glaube sowieso, man müsste ein neues Lebenskonzept erfinden. Das funktioniert so nicht mehr.

Sie sind eine sehr attraktive Frau. Trotzdem muss es für eine Schauspielerin allein schon aus Gründen der Eitelkeit sehr schwierig sein, derart gegen eine unbekümmerte Jugend anzuspielen, wie Sie es in den Szenen mit Jacob Matschenz tun.

Aber das ist gerade spannend. Natürlich wirkt es blöd, wenn man mit 40, oder wie im Film mit 42, plötzlich wieder so jung sein will. Aber das ist doch toll. Diese Frau fällt in ein Vakuum ... und auf einmal ist sie wieder 16. Natürlich kann die Gesellschaft das nicht akzeptieren. Die denken alle, die ist bescheuert. Das entspricht nicht dem Anstand einer 42jährigen Frau. Warum nicht? Das kann man mit 80 auch noch machen. Obwohl, da wird es vielleicht sogar noch eher akzeptiert, als mit 40.

Ich an Ihrer Stelle würde mir denken: "Gott, jetzt war ich schon drei Monate nicht mehr im Fitnesscenter und jetzt kommen solche Szenen auf mich zu..."

Sah das so aus? Na ja, natürlich hat man solche Gedanken, erst recht wenn man zwei Kinder hat. Gewisse Sachen will man da nicht mehr machen, nicht mehr zeigen. Aber da war Sabine Derflinger toll. Sie sagte: "Ich will dich genau so, wie du bist. Ich brauche keine Hollywood-Schönheit, die sich sonst wie runtergehungert hat, sondern eine Frau, die ein bestimmtes Alter, ein Kind und einen Beruf hat, eben ganz normal älter ist."

Das sah natürlich überhaupt nicht so aus. Deshalb gleich die Folgefrage: In einige Szenen ist 42plus sehr erotisch. Wie spielt man Erotik?

Erotik kann nur entstehen, wenn man ganz nah bei sich ist. Einfach durch Wahrnehmung. Man nimmt die Augen, den Mund, die andere Person wahr. Da geht ganz viel auch über die Intelligenz. Nicht nur über den Körper, auch über den Kopf. Aber das ist schwer zu beschreiben.

Was hat Sie an dieser Rolle angezogen?

Ich fand es spannend, eine Frau zu spielen, die rein äußerlich gut situiert ist: Beruf, Familie, alles ist perfekt. Klar hat der Mann eine Geliebte, aber das akzeptiert man halt irgendwie.
Bis Christine ausbricht. “Ist das eigentlich alles gut so? Spür ich mich noch? Bin ich überhaupt noch vorhanden?” Es ist gut, sich solche Fragen zu stellen. Wir rennen ja alle nur noch durchs Leben. Wer nimmt sich schon noch Zeit für sich? So etwas Frauen zu erzählen ... und natürlich auch Männern ... das fand ich wichtig. Deshalb habe ich den Film gemacht.

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